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Katecholaminmangel

Synonyme: Dysautonomie, Nebennierenmarkunterfunktion, Unterfunktion des sympathischen Nervensystems, asympathikotones Syndrom, autonome Neuropathie

Zusammenfassung

Beim sehr seltenen Katecholaminmangel, der auch Dysautonomie genannt wird, werden vom Nebennierenmark und vom Nervensystem zu wenig Katecholamine produziert. Die Ursache dieser Erkrankung ist meist unklar. Eine Spezialform ist das Shy-Drager-Syndrom. Typische Beschwerde beim Katecholaminmangel ist eine Orthostase mit Blutdruckabfall beim Aufstehen aus dem Sitzen oder dem Liegen. Die Diagnose eines Katecholaminmangels wird mit Gespräch, körperlicher Untersuchung und Orthostasetest gestellt. Die Behandlung bei einem Katecholaminmangel besteht aus Stützstrümpfen bis zum Druckanzug und Medikamenten.

Allgemeines

Beim Katecholaminmangel werden vom Nebennierenmark und vom Nervensystem zu wenig Katecholamine produziert. Der Katecholaminmangel ist eine sehr seltene Erkrankung. Er tritt bei zuvor gesunden Menschen auf, meist bei Männern über dem 50. Lebensjahr. Die Ursache des Katecholaminmangels ist meist unklar. Wird nämlich das Nebennierenmark durch eine Operation entfernt oder durch Tumoren oder Ableger von bösartigen Tumoren anderer Gewebe zerstört, tritt normalerweise kein Katecholaminmangel auf, da die Katecholaminproduktion dann vom Nervensystem übernommen wird.

Selten ist ein Katecholaminmangel wegen einer Veränderung im Erbgut angeboren. Die Veränderung im Erbgut führt dazu, dass vom Körper zu wenig Katecholamine produziert werden können. Von einem funktionellen Katecholaminmangel wird gesprochen, wenn die Katecholaminproduktion eigentlich normal ist, der Bedarf des Körpers an Katecholaminen aber so stark ansteigt, dass trotzdem nicht alle vom Körper geforderten Katecholamine produziert werden können. Der Bedarf an Katecholaminen steigt bei Personen stark an, die an einem Diabetes mellitus, einem Alkoholmissbrauch, einer Porphyrie oder einer Amyloidose leiden.

Eine Spezialform des Katecholaminmangels ist das Shy-Drager-Syndrom. Diese Erkrankung kann Männer und Frauen nach dem 40. Lebensjahr befallen. Zu den Beschwerden des Katecholaminmangels treten Störungen des Nervensystems, die sich mit Beschwerden im Bereich des Kleinhirns, des Rückenmarks und der Hirnnerven äussern. Es treten unter anderem Bewegungsstörungen und Koordinationsstörungen auf.

Die Nebennieren

Abbildung: Nebennieren
Lage der Nebennieren, Darstellung der Nebennieren

Die Nebennieren sind zwei kleine lebenswichtige Organe, die im Bauchraum direkt oben auf  den Nieren liegen (siehe Abbildung). Die Nebennieren bestehen aus dem Nebennierenmark und der Nebennierenrinde. Dabei befindet sich im Innern der Nebenniere das Nebennierenmark. Umhüllt wird das Nebennierenmark von der Nebennierenrinde. Das Nebennierenmark und die Nebennierenrinde haben verschiedene Funktionen und arbeiten unabhängig voneinander.

Das Nebennierenmark bildet die Katecholamine Dopamin, Adrenalin und Noradrenalin. Dies sind Stresshormone, die in Stresssituationen dafür sorgen, dass der Körper optimal reagieren kann, unter anderem indem sie ihm Energie zur Verfügung stellen. Die Nebennierenrinde bildet drei unterschiedliche Hormongruppen. In der äussersten Schicht der Nebennierenrinde werden sogenannte Mineralokortikoide wie Aldosteron produziert. Sie regulieren den Salz- und Wasserhaushalt im Körper.

In der mittleren Schicht der Nebennierenrinde werden sogenannte Glukokortikoide wie Kortisol hergestellt. Die Glukokortikoide haben zahlreiche Aufgaben im menschlichen Körper. Sie wirken auf den Zucker-, Eiweiss- und Fettstoffwechsel, den Wasser- und Salzhaushalt, das Bindegewebe und den Knochen, auf Entzündungsmechanismen und das Abwehrsystem, die Haut und das Knochenmark, das Herzkreislauf- und das Nervensystem. In der innersten Schicht produziert die Nebennierenrinde überwiegend männliche Sexualhormone, sogenannte Androgene, und nur sehr wenige weibliche Sexualhormone, sogenannte Östrogene. Die Sexualhormone sind an der Geschlechtsfunktion und der Ausbildung der weiblichen und männlichen Geschlechtsmerkmale beteiligt. Zur Produktion aller Hormone benötigt die Nebennierenrinde Cholesterin, welches einerseits vom Körper selbst hergestellt wird und andererseits im Darm aus der Nahrung aufgenommen wird.

Die Produktion von Katecholaminen im Nebennierenmark wird durch einen gewissen Anteil des Nervensystems gesteuert. Die Produktion von Mineralokortikoiden, Glukokortikoiden und Sexualhormonen in der Nebennierenrinde wird durch ein gewisses Areal des Gehirns, den Hypothalamus, und durch die Hirnanhangsdrüse geregelt. Die Herstellung von Mineralokortikoiden wird zudem durch die Nebennierenrinde selbst und durch einen komplizierten Regelkreislauf zwischen Niere, Blut und Nebennierenrinde, durch das sogenannte Renin-Angiotensin-Aldosteron-System RAAS, gesteuert.

Symptome

Beim Katecholaminmangel werden zu wenig Adrenalin und Noradrenalin vom Nebennierenmark und dem Nervensystem produziert. Adrenalin und Noradrenalin sind sogenannte Stresshormone. Sie sorgen in Stresssituationen dafür, dass der Körper optimal eingestellt ist. Adrenalin und Noradrenalin geben den einzelnen Geweben des Körpers dann genaue Anweisungen, wie sie sich zu verhalten haben. Somit wirken Adrenalin und Noradrenalin auf das Herzkreislaufsystem, das Gehirn, die Atemwege, die Niere, die Muskulatur, die Leber, die Bauchspeicheldrüse, das Fettgewebe, die Augen und die Haut. Betroffene eines Katecholaminmangels können somit an verschiedenen Beschwerden verschiedener Organe leiden (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Beschwerden bei einem Katecholaminmangel
Beschwerden bei einem Katecholaminmangel, Symptome bei einem Katecholaminmangel

Charakteristisch für den Katecholaminmangel ist eine neu auftretende Orthostase. Das bedeutet, dass bei Betroffenen beim Aufstehen aus dem Liegen oder dem Sitzen wegen der mangelnden Katecholamine der Blutdruck abfällt. Der Blutdruck sollte beim Aufstehen aber gleich bleiben oder gar ansteigen, damit der ganze Körper bis hinauf zum Gehirn mit genügend Blut versorgt werden kann. Dadurch, dass der Blutdruck beim Aufstehen abfällt, leiden die Betroffenen an Schwindel, Blässe, Schweissausbrüchen und einem beschleunigten Herzschlag nach dem Aufstehen. Zusätzliche Beschwerden, die von Betroffenen angegeben werden, sind Gehunsicherheit, körperliche Schwäche, Gewichtsverlust, Durchfallneigung, Abnahme des sexuellen Verlangens und Blasenschwäche mit ungewolltem Urinabgang.

Vor allem bei den vererbten Formen des Katecholaminmangels können schwere Verläufe mit einer schlechten Prognose auftreten. Die Beschwerden können so stark sein, dass der Betroffene nicht mehr ohne Hilfe aufstehen kann. Dadurch ist der Betroffene sozusagen ans Bett gefesselt. Durch das ständige Liegen treten Fehlbelastungen der Haut mit offenen Stellen auf, sogenannte Decubiti. Diese offenen Stellen heilen nur schwer ab und können sich entzünden. Zudem werden durch das ständige Liegen die Muskeln weniger benutzt und werden dadurch immer schwächer. Die Muskeln unterstützen normalerweise den Blutfluss. Durch die fehlende Muskelaktivität gerät der Blutfluss ein wenig ins Stocken, sodass das Blut sich in seiner Konsistenz verfestigen und dadurch die Blutgefässe verschliessen kann.

Diese Gefässverschlüsse werden in der Fachsprache Thrombosen genannt. Teile des verfestigten Blutes können mit dem Blutstrom auch in die Lungengefässe transportiert werden und dort die Gefässe verschliessen. In der Fachsprache wird dies mit dem Begriff Lungenembolie bezeichnet. Eine Lungenembolie stellt eine Belastung fürs Herz dar. Werden mehrere Lungengefässe durch solche Lungenembolien verschlossen, ist ein Herzversagen möglich und die Betroffenen können versterben.

Diagnose

Leiden Personen an einem neuaufgetretenen Schwindel beim Aufstehen, der sie deutlich einschränkt, sollten sie einen Arzt zur weiteren Abklärung aufsuchen. Der Arzt wird den Betroffenen in einem ausführlichen Gespräch nach Beschwerden und Veränderungen fragen, die ihm einen Hinweis auf einen Katecholaminmangel geben und ihn andere Erkrankungen ausschliessen lassen. Erkrankungen, die ähnliche Beschwerden wie der Katecholaminmangel auslösen, sind ein tiefer Blutdruck, der bei jungen schlanken Frauen häufig ist, ein Trainingsmangel und eine Herzschwäche. Anschliessend wird der Arzt den Betroffenen von Kopf bis Fuss untersuchen.

Zur Bestätigung einer Orthostase kann anschliessend ein Orthostasetest durchgeführt werden. Dieser Test wird in der Fachsprache Schellong-Test genannt. Dazu muss sich der Betroffene auf ein Bett oder eine Untersuchungsliege hinlegen. Der Arzt wird nun in Abständen von ein bis zwei Minuten den Blutdruck und die Herzfrequenz des Betroffenen messen. Nach einigen Minuten muss der Betroffene aufstehen. Der Arzt misst weiterhin den Blutdruck und fragt den Patienten nach Beschwerden wie Schwindel. Normalerweise steigt der Blutdruck nach dem Aufstehen leicht an, da es sich beim Aufstehen für den Körper um eine Stresssituation handelt. Bei einer Stresssituation werden vermehrt Katecholamine ins Blut abgegeben, damit der Körper optimal auf die Stresssituation reagieren kann. Die Katecholamine steigern dann den Blutdruck.

Bei einem Betroffenen eines Katecholaminmangels fehlt diese Stressreaktion, das heisst bei ihm steigen der Blutdruck und die Herzfrequenz nach dem Aufstehen nicht an, sondern fallen sogar noch ab. Das Gehirn des Betroffenen erhält dadurch zu wenig Blut, was sich bei dem Betroffenen mit Schwindel äussert. Beim Schellong-Test kann dem Patienten vor und nach dem Aufstehen zudem Blut entnommen werden. Im Blut kann die Menge an Noradrenalin bestimmt werden. Die Menge an Noradrenalin sollte nach dem Aufstehen normalerweise ansteigen. Bei einem Katecholaminmangel dagegen sinkt die Menge an Noradrenalin nach dem Aufstehen.

Weisen die Befragung, die Untersuchung und der Schellong-Test eindeutig auf einen Katecholaminmangel hin, ist keine weitere Untersuchung mehr notwendig. Besteht aber der Verdacht auf einen Diabetes mellitus oder eine andere Erkrankung, die diesen Katecholaminmangel ausgelöst haben könnten, sollten weitere Untersuchungen zu deren Diagnose oder Ausschluss durchgeführt werden.

Therapie

Ein Katecholaminmangel kann kaum beeinflusst werden, da die Ursache der Erkrankung in der Regel nicht bekannt ist. Leiden Betroffene an einer Veränderung der Erbinformation, fehlen bisher noch die Möglichkeiten, diese Veränderung rückgängig zu machen. Handelt es sich um einen funktionellen Katecholaminmangel, der durch eine andere Erkrankung wie einen Diabetes mellitus verursacht wird, muss diese zugrunde liegende Erkrankung behandelt werden, um die Beschwerden des Katecholaminmangels zu beeinflussen.

Selten verbessern sich die Beschwerden eines Katecholaminmangels bei Betroffenen ohne Behandlung. Der Grund für eine solche Verbesserung ist nicht bekannt. Der Blutdruckabfall beim Aufstehen kann mit Stützstrümpfen allein kaum vermindert werden. Druckanzüge würden dem Blutdruckabfall beim Aufstehen zwar entgegenwirken, schränken Betroffene aber sehr stark in ihrer Bewegungsfreiheit und Alltagsaktivität ein. Eine leichte Blutdrucksteigerung kann mit bestimmten Medikamenten erreicht werden, die ähnlich wie die Katecholamine auf die Blutgefässe wirken. Insgesamt wird mit den bisher angewandten Behandlungen aber kaum eine zufriedenstellende Verbesserung der Beschwerden bei Betroffenen erreicht.

Zur Behandlung oder besser zur Vermeidung von Komplikationen der schweren Verläufe des Katecholaminmangels sind weitere Massnahmen notwendig. Dazu gehören ein stetiges Umlagern, um eine Schädigung der Haut zu vermeiden, und eine Blutverdünnung, um Gefässverschlüssen entgegenzuwirken. Diese Behandlungsmassnahmen werden in den entsprechenden Kapiteln näher besprochen.

Autor/in:Dr. med. Sidonie Achermann, Ärztin
Editor/in:Dr. Julia Feucht, Ärztin
Keywords:Katecholaminmangel, Dysautonomie, Nebennierenmarkunterfunktion, Unterfunktion des sympathischen Nervensystems, asympathikotones Syndrom, autonome Neuropathie, Schellongtest, Orthostasetest, Schellong-Test, Orthostase-Test, Bettlägerigkeit, Thrombosen, Lungenembolien, Schwindel, Katecholamine, Stresshormone, Orthostase, Stützstrümpfe, Druckanzug, Decubiti, Decubitus, Thrombembolien, Stressreaktion, Stresshormone, Shy-Drager-Syndrom, Adrenalinmangel, Mangel an Adrenalin
ICD-10:E27.9
Zuletzt geändert:06.11.2016Zum Seitenanfang
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